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BUCH SULEIKA.





Vollmondnacht.


|171| Herrinn! sag was heißt das Flüstern?
Was bewegt dir leis’ die Lippen?
Lispelst immer vor dich hin,
Lieblicher als Weines Nippen!
Denkst du deinen Mundgeschwistern
Noch ein Pärchen herzuziehn?

Ich will küssen! Küssen! sagt’ ich.

Schau! Im zweifelhaften Dunkel
Glühen blühend alle Zweige,
Nieder spielet Stern auf Stern,
Und, smaragden, durchs Gesträuche
Tausendfältiger Karfunkel;
Doch dein Geist ist allem fern.

Ich will küssen! Küssen! sagt’ ich.

|172| Dein Geliebter, fern, erprobet
Gleicherweis im Sauersüßen,
Fühlt ein unglücksel’ges Glück.
Euch im Vollmond zu begrüßen
Habt ihr heilig angelobet,
Dieses ist der Augenblick.

Ich will küssen! Küssen! sag’ ich.

Entstehung: 24.10.1815
Originalpaginierung: 171–172
Johann Wolfgang von Goethe
West–oestlicher Divan
Stuttgart 1819


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