ARTSALVE
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BUCH SULEIKA.





|179| In tausend Formen magst du dich verstecken,
Doch, Allerliebste, gleich erkenn’ ich dich,
Du magst mit Zauberschleyern dich bedecken,
Allgegenwärtige, gleich erkenn’ ich dich.

An der Cypresse reinstem, jungen Streben,
Allschöngewachsne, gleich erkenn’ ich dich,
In des Canales reinem Wellenleben,
Allschmeichelhafte, wohl erkenn’ ich dich.

Wenn steigend sich der Wasserstrahl entfaltet,
Allspielende, wie froh erkenn’ ich dich.
Wenn Wolke sich gestaltend umgestaltet,
Allmannigfaltige, dort erkenn’ ich dich.

An des geblümten Schleyers Wiesenteppich,
Allbuntbesternte, schön erkenn’ ich dich.
Und greift umher ein tausendarmger Eppich,
O! Allumklammernde, da kenn’ ich dich.

|180| Wenn am Gebirg der Morgen sich entzündet,
Gleich, Allerheiternde, begrüß’ ich dich,
Dann über mir der Himmel rein sich ründet,
Allherzerweiternde, dann athm’ ich dich.

Was ich mit äußerm Sinn, mit innerm kenne,
Du Allbelehrende, kenn’ ich durch dich.
Und wenn ich Allahs Namenhundert nenne,
Mit jedem klingt ein Name nach für dich.

Entstehung: 16.03.1815
Originalpaginierung: 179–180
Johann Wolfgang von Goethe
West–oestlicher Divan
Stuttgart 1819


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