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BUCH SULEIKA.





|139| Die schön geschriebenen,
Herrlich umgüldeten,
Belächeltest du
Die anmaßlichen Blätter,
Verziehst mein Prahlen
Von deiner Lieb’ und meinem
Durch dich glücklichen Gelingen,
Verziehst anmuthigem Selbstlob.

Selbstlob! Nur dem Neide stinkt’s,
Wohlgeruch Freunden
Und eignem Schmack!

Freude des Daseyns ist groß,
Größer die Freud am Daseyn.
Wenn du Suleika
Mich überschwänglich beglückst,
Deine Leidenschaft mir zuwirfst
|140| Als wär’s ein Ball,
Daß ich ihn fange,
Dir zurückwerfe
Mein gewidmetes Ich;
Das ist ein Augenblick!
Und dann reißt mich von dir
Bald der Franke, bald der Armenier.

Aber Tage währt’s,
Jahre dauert’s, daß ich neu erschaffe
Tausendfältig deiner Verschwendungen Fülle
Auftrösle die bunte Schnur meines Glücks,
Geklöpplet tausendfadig
Von dir, o Suleika.

Hier nun dagegen
Dichtrische Perlen,
Die mir deiner Leidenschaft
Gewaltige Brandung
Warf an des Lebens
Verödeten Strand aus.
Mit spitzen Fingern
Zierlich gelesen,
|141| Durchreiht mit juwelenem
Goldschmuck.
Nimm sie an deinen Hals,
An deinen Busen!
Die Regentropfen Allahs,
Gereift in bescheidener Muschel.

Entstehung: 21.09.1815
Originalpaginierung: 139–141
Johann Wolfgang von Goethe
West–oestlicher Divan
Stuttgart 1819


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